Heute Abend war ich zum allerersten Mal im Banja, einem russischen Dampfbad. Dabei wird anstelle eines normalen Handtuches die heiße Luft mithilfe von nassen Birkenzweigen herumgewirbelt.
Mein Rücken nach dem Banja
Ich bin wahrlich kein routinierter Saunagänger (hier berichtete ich von meinen Anfängen), aber scheinbar wollte ich es heute Abend irgendwie wissen.
Nachdem ich am vergangenen Wochenende bereits in der Sauna war und den Aufguss sehr genossen hatte, war ich neugierig auf den berüchtigten Wenik- Aufguss. Natürlich sichert man sich zuvor erstmal ab (ich war zu faul die Erklärtafel an der Saunatüre zu lesen) und so fragte ich den Saunameister etwas laienhaft, ob solch eine Prozedur sehr anstrengend sei. Seine Antwort „Pillepalle!“ hätte mich doch nachdenklich werden sollen…

Ich wählte schnell einen der unteren (im Notfall komme ich schnell zur Türe, auch wenn alle denken, dass ich es nicht drauf habe -) Plätze. Wir waren eh nur zu viert, inclusive Saunameister. Nachdem ordentlich gelüftet wurde ging es los und wir wurden erstmal aufgeklärt:
Es werde drei Durchgänge geben, dann eine kleine Sauerstoffpause und schließlich müssten noch zwei weitere Durchgänge durchgestanden werden, bis es zum großen Finale kommen sollte. Das wird sicher kein Problem sein, fand er…

Er wirbelte also die nassen Birkenzweige herum, ich fand es roch nach Zigarre. Nicht mein Geruch, aber für die paar Minuten kann ich das schon aushalten, dachte ich… Er wirbelte und schwitzte, ich ebenfalls. Er schlug mir die Zweige ins Gesicht, die Birkenbüschel verloren einige Blätter, die auf meinen Bauch fielen, ich pickte sie auf. Wie sieht das denn aus, so nackig mit ein paar Blättern auf dem Bauch?! Er wirbelte und wirbelte. Ich schwitze. Drei Minuten waren um.

Die erste Runde war geschafft, er tauchte die zwei Birkengebinde tief in den Eimer und schlickerte sie über dem Holzofen aus. Es zischte – und es roch nach Zigarre. Puh! Er wirbelte die Birkendinger wie Twirlingstäbe über mir, neben mir, schlug sie aus. Die heiße Luft klatschte mir ins Gesicht. Wieder zischte es, ich schwitze, von mir lief der Schweiß. Die Dame rechts von mir fluchte. Die andere verlangte nach Bier. Sieben Minuten waren geschafft.

Die dritte Runde begann erneut mit lautem Zischen – und er wartete. Er ließ die heiße Luft aufsteigen. Die beiden Damen oben rutschten eine Stufe tiefer. Ich war froh über meine kluge Platzwahl. Die Temperatur stieg. Ich blickte auf die Anzeige: 102 Grad! Ich konnte mich nicht erinnern jemals schonmal solch einer Temperatur ausgesetzt worden zu sein. Ich mußte an unseren Islandurlaub denken und an meinen Außenbandriss auf dem Vulkan. Irgendwie so ähnlich schmerzte es. Er haute die Birkenäste in den Raum als dirigierte er sein Orchester. Ich schloss die Augen: Der Schweiß brannte! Ich musste an Schnaps denken. Und dann öffnete er die Türe: Endlich! Pause! Draußen saß meine Freundin und belachte sich über meine Gesichtsfarbe. Haha…

Nach kurzen drei Minuten ging es weiter: Er schloß die Türe, meinte langsam sei ihm nicht mehr so kalt und „jetzt legen wir aber endlich mal los!“. Ich sagte gar nichts mehr, ich überlebte. Irgendwie. Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr richtig an die beiden Runden erinnern.  Irgendwie zogen sie wohl an mir vorbei, ich ertrug und ich schwitze und es roch nach Zigarre und irgendwann blickte ich auf die Uhr: 20 Minuten… 105 Grad Celsius… Wahnsinn! Ab wann fängt eigentlich das Blut an zu kochen? Dann öffnete er erneut die Türe und ich dachte: Geschafft! Jetzt kann ich alles schaffen! Neben mir die Dame applaudierte und ich klatsche euphorisch mit. Auch wenn ich mich eigentlich eher selbst beklatschte. Egal! Dann meinte die Dame rechts von mir: „Jetzt bin ich bereit fürs Finale!“ und ich war etwas überrascht: „Wie? Das war es noch nicht?“ Die anderen vier lachten (ich musste an die Erklärungstafel an der Sauna denken, vielleicht hätte ich sie doch einfach vorher mal durchlesen sollen?) und er tauchte die Birkenzweige ganz tief ins Wasser, sie sollten sie nochmal so richtig schön mit Wasser vollsaugen.

Dann sagte er: „Ich glaube, dann fangen wir mal mit dir an! Bitte beuge dich ganz nach vorne und versuche langsam und gleichmäßig zu atmen.“ Ich verstand nicht ganz, tat aber lieber wie mir geheißen. Ich atmete. Irgendwie. Dann klatscht  er mir die beiden nassen Bunde laut auf den Rücken. Klatsch! Klatsch! Klatsch! Aua! Aua! Aua! In seiner Choreografie schlug er mir die beiden Dinger um die Ohren und ich zuckte jedes Mal zusammen. Er fragte: „Noch etwas fester?“ Ich lehnte ab. Nach langen drei Minuten ließ er von meinem Rücken ab und wendete sich an die nächste Dame: „Bei dir mach´ ich das aber richtig, oder?“

Ich stolperte wortlos zur Dusche und fühlte mich dabei wie Siegfried, nachdem er den Drachen getötet und in dessen Blut gebadet hatte. Und dann bemerkte ich: Nach unendlich vielen Wochen hatte ich zum allerersten Mal keine Rückenschmerzen mehr! Und ich schwitzte.