Talking Dad: Der Herbst mit Kindern
Eltern (oder in meinem Fall Vater) sein, ist nicht immer die heile Welt und das entsprechende blabla vom Titelblatt der üblichen Magazine. Einiges geht einem auch gehörig auf den Zeiger. Man darf auch mal was scheiße finden. Sollte man sogar.
Zum Beispiel richtig nervig: der Herbst mit Kindern.
Kommt mir bloß nicht mit Indian Summer. Der Herbst ist eine größtenteils räudige Jahreszeit. Blätter am dadurch rutschigen Boden statt auf den Bäumen. Dunkelheit von Arbeitsbeginn bis Feierabend. Keine passende Kleidung wegen – wie der Kölner sagt – usseligen Außentemperaturen, bei denen man entweder schwitzt oder friert. Dauerregen von Mitte September bis zum Winteranfang, in der restlichen Zeit schlechtes Wetter.
Ob ich denn keine Regenhose habe, wurde ich kürzlich entrüstet gefragt. Natürlich bemühen die Vorzeige-Muttis aus Köln Nippes, die solche und ähnliche Fragen stellen, während sie ihren modischen Parka in Pastellfarben imprägnieren, brav die öde Leier: Es gibt ja „nur schlechte Kleidung und kein schlechtes Wetter“. Wiederholt das gern so lange, bis ihr es glaubt. Schlechte Kleidung my ass.
Es fängt schon damit an, dass ich morgens eine halbe Stunde länger brauche, um den Kindern die Matschhosen einzureden oder sie ihnen, verbunden mit körperlicher Anstrengung (für alle!), mühevoll physisch aufzuzwingen. „Aber warum muss ich denn schon wieder eine Matschhose anziehen?“ regt sich der Ältere fast täglich auf. Jagutäh… Weil du sowieso in den ersten drei Sekunden vor der Tür in eine Pfütze springst? Oder körperklausig bis zum Hals in der nächstgelegenen Matschgrube versinkst? Die gleiche Frage wird mir im Übrigen bei der Schuhauswahl gestellt. Kürzlich wollte Junior mit aller Macht durchsetzen, seine PJ Mask-Sandalen (!) für den Kindergarten aufzutragen. Das war am 10. November. Haben wir gelacht. Okay, ich. Unverständnis, bittere Tränen waren die Folgen auf der anderen Seite. Und ein Anruf bei der KiTa, dass wir etwas später kommen. Diese beispielhaft angeführte Prozedur, ist leider auf sämtliche Stücke kindlicher Ober- und Unterbekleidung anzuwenden: „endlich“ wieder Strumpfhosen, warum denn kein T-Shirt?, in der Jacke wird mir zu warm/kalt…Ein Trauerspiel.
Ohne unseren mittlerweile zweiten Fahrradanhänger (danke nochmal für den Diebstahl des Ersten) hätte mein Leben – zumindest mein Morgen – keinen Sinn mehr.
Natürlich gehen wir auch mit den Kindern raus. Wenn es nicht regnet. Und ich kann die Freude, in Pfützen rumzuspringen, auch gut nachvollziehen. Macht ja auch Spaß. Meist haben die Kurzen dann aber – oh, Wunder – tatsächlich deutlich weniger Bock, sich im matschigen Spielplatz-Sand zu suhlen. Im Großen und Ganzen heisst Herbst für Eltern doch eher, dass das tägliche Leben eher unter einem Dach mit eingeschalteter Heizung stattfindet. Und nein: ich gehe keinesfalls in einen dieser Indoor-Spielplätze. Diese Malle-Ballermann-Musik verseuchten Orte der elterlichen Verblödung. In Ermangelung alternativer, überdachter Spielräume verbringt man den Herbst also meist in der eigenen Wohnung. Eltern wissen, was das bedeutet. Lagerkoller. Ein schleichend um sich greifender, alle mit sich reißender Lagerkoller von oft unmenschlichem Ausmaß.
Sind die Kinder mit sich allein, schlägt die Stimmung recht schnell um. Wie schon gesagt: der Lagerkoller.
Der Zweijährige gerät mit Hasi, eigentlich seine große Liebe, in erbitterten Streit. Schleudert ihn wutentbrannt in eine Ecke: „Ich will Hasi nie mehr haben“. Um sich Sekunden später nicht mehr daran zu erinnern, in welche. Worauf die komplette Familie, begleitet von bitterlichem „ich will aber meinen Hasi wiederhaben“, sich auf große Hasi-Such-Expedition begibt. Diese Vorfälle können sich beliebig oft wiederholen. Aber er spielt auch sehr gern mit Lego. So schön. Wenn er akribisch sämtliche Gliedmaßen aller Lego Ninjago-Figuren – wiederum die aktuell große Liebe des Älteren – entfernt und wahlweise im Zimmer verteilt oder der augenscheinlich falschen Figur wieder ansteckt. An diesem Punkt setzt dann ein Domino-Effekt ein: der Vierjährige vergeht sich an Hasi. Die Folge: ungefähr das oben beschriebene. Oder er lässt seine gesammelten Gewaltphantasien genüsslich und ungehemmt am kleinen Bruder aus. Treten, schubsen, schlagen, beißen. Alles dabei. So langsam bemerkt man allerdings, dass der Kleine – obwohl zwei Jahre jünger bei gleichem Kampfgewicht – sich wohl nicht mehr alles gefallen lassen will. Wehe, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem der Ältere nicht mehr schneller ist. Obacht, mein Sohn!
Auch problematisch: die empfindlich gefährliche Nähe zum heimischen TV-Gerät. Mittlerweile weiß ich, was sich Samsung dabei gedacht hat, als sie einen Fernseher entwickelt haben, der bei Nicht-Benutzung auch digitale Kunstwerke anzeigt.
Der Produktentwickler hat Kinder und die Idee kam ihm vermutlich in den Herbstmonaten. Weil er die ständige Fragerei, ob man denn nun endlich fernsehen darf, nicht mehr ausgehalten hat.
Gern tummelt sich in unserer Wohnung die gesammelte U7-Nachbarschaft. Ich freue mich ja, wenn unseren Kindern unsere Wohnung gefällt. Trotzdem dürfen sie auch gerne mal bei den Nachbarn spielen. Wenigstens ab und zu. Oder zumindest hinterher die Nachbarskinder nicht alles allein aufräumen lassen. Wobei, andererseits: vielleicht lässt sich ja da eine potentielle Führungskraft erkennen? Jedenfalls bleibt kein Zimmer verschont und die Wohnung ist im Handumdrehen auf Level Bagdad 1991 gebracht.
„Herbst mit Kindern“ bedeutet ja offenbar auch diverses Basteln und Malen. Wenn Nippes-Mutti ihren Parka fertig imprägniert hat. Ich muss allerdings eingestehen, dass mir zum Basteln zwei wesentliche Dinge fehlen: Geduld und viel erheblicher: die Fingerfertigkeit. Ganz ehrlich: bei allem ab Papierflieger bin ich raus. Was das Malen angeht, zitiere ich hier meinen Kunstlehrer aus der Oberstufe, der eine praktische Arbeit mit „ist das Ihr Ernst?“ unterschrieb.
Einziges Herbst-Highlight: St. Martin. Für die Kinder und meine Frau, die in diesem Jahr tatsächlich jeden Laternenumzug um den nächstgelegenen dicken Baum mitgemacht haben. Auch in unserem Kindergarten überschlägt sich alles, wenn es auf dieses Event der Sonderklasse zugeht. Bei dem die Eltern natürlich an diversen Stellen aushelfen müssen. Die einzig dankbare Rolle dabei ist es, den St. Martin zu spielen. Einmal beliebt bei den Kindern sein. Sogar bei den eigenen. Für den erbärmlichen Rest bleiben Aufgaben wie Punsch an geduldige Kinder ausschenken oder aufpassen, dass kein Kind ohne Augenbrauen nach Hause geht. Glühwein Fehlanzeige! Expertentipp: Sollte jemand über eine Teilnahme am KiTa-Elternrat nachdenken: der Hintergedanke, dass man ja bereits das ganze Jahr über eine Aufgabe übernimmt und deshalb von oben genannten verschont bleibt ist: ein Trugschluss.
Aber auch St. Martin geht irgendwann vorbei und während man noch zwei Wochen lang gefragt wird, wann denn wieder St Martin sei, muss man sich neue Späße einfallen lassen, um die Kinder im Herbst bei Laune zu halten. Das wäre alles noch zu ertragen, würde der Vierjährige nicht (außer zu St. Martin) bis zum Nikolaustag täglich und aus voller Inbrunst „Der Herbst ist da“ blöken. Noch keinen Ohrwurm? Dann jetzt:
Und ja, ich habe bewusst diese Kleinod von Sinelli Patelli (??) ausgewählt.
Hei, hei hussassa, der Herbst ist da.
Jahresrückblick 2019
[…] Verwandtschaft” wurde am häufigsten gelesen. Am liebsten mochte ich seine Gedanken zum Herbst mit Kindern. Zu seinem Unglück muss ich gestehen: K2 singt weiterhin inbrünstig: “Laterne, […]